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Altes Rathaus Obertürkheim

Wie auch in Uhlbach steht das Obertürkheimer Alte Rathaus in unmittelbarer Nähe zur Kelter, was einen einfachen, aber gewichtigen Grund hat: Von hier aus wurde das Keltergeschäft im Herbst bezüglich der Abgaben genauestens kontrolliert. – Die Gemeindeverwaltung bestand über die Jahrhunderte im Prinzip aus einer genauen Buchführung bezüglich Grundbesitz, Abgaben, Listenführung verschiedenster Art und was das Rechtswesen anlangte der Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit. Personell waren deshalb die Rathäuser kümmerlich ausgestattet und infolgedessen wurde auch nur wenig Raum benötigt.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wuchs die Aufgabenvielfalt und das Obertürkheimer Rathaus wurde zu eng. Im Gemeinderatsprotokoll des Jahres 1919 wird rückblickend ausgeführt: … Dabei kam zur Sprache, dass dem Ortsvorsteher, welcher 2 bis 3 Gehilfen beschäftigte, für diese nur ein kleines Zimmer zur Verfügung stehe, welches zugleich als Dienstzimmer für den Amtsdiener und die Schutzleute zu dienen habe. Weder ein Wartezimmer noch eine Registratur noch ausreichende Arrestlokale seien in dem Gebäude vorhanden und sei es sogar nötig, festgenommene Personen manchmal mitten in der Nacht in den Ortsarrest nach Uhlbach zu verbringen. Auch die im Erdgeschoss gelegenen Räume des Gemeindepflegers und der Grundbuchbeamten wurden als höchst ungesund bezeichnet und daher angesichts dieser Umstände im Wege der Durchzählung mit 10 gegen 5 Stimmen beschlossen[,] in Verbindung mit den Schulhausbauprojekten auch 3 Projekte für einen Rathausneubau durch das Ortsbauamt ausarbeiten zu lassen.

Im Jahr 1907 wurde die Gemeindeverwaltung in das neu erbaute Schulhaus Uhlbacher Str. 18 verlegt und kam schließlich 1915 ins Rathaus an der Augsburger Straße.

Zum eben erwähnten Ortsarrest: Gefängnisse im heutigen Sinn gab es in früherer Zeit nicht; Strafen waren Geldstrafen oder Leibstrafen. Ein Gefängnis in früherer Zeit diente als Sicherheitsunterkunft eines Delinquenten bis zur Strafverkündung. In den Rathäusern der Gemeinden gab es jedoch Arrestzellen, in denen Straftäter wegen geringerer Vergehen bis zu zwei Tage eingesperrt wurden. Die Straftaten waren beispielsweise Beleidigung oder Diebstahl; selbst das Ansichbringen eines Apfels, der unter einem Baum am Boden lag, führte zu einer rechtlichen Untersuchung und wurde mit mehrstündigem Arrest geahndet, wobei Kinder von einer Bestrafung nicht ausgenommen waren.